Autor Thema: Lehrer mit Insulinpumpe  (Gelesen 13145 mal)

Offline Malou

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 126
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Lehrer mit Insulinpumpe
« am: Oktober 29, 2007, 15:52 »
Gibt es in diesem Forum Lehrerinnen und Lehrer???

Ich überdenke gerade meine Einstellung zu meinem Diabetes und suche nach neuen Handlungsmustern im Umgang damit. Also prüfe ich unter anderem gerade meine Verhaltensweisen und überlege, ob ich etwas anders machen kann und sollte :kratz:

Mich würde interessieren, ob ihr euren BZ vor den Kindern messt?

Esst oder trinkt ihr im Unterricht, weil ihr mal wieder keine Pause hattet?

Seid ihr rettungsfähig?

Geht ihr mit Schulklassen auf mehrtägige Klassenfahrt?

Habt ihr Ermäßigungsstunden?

Führt ihr Pausenaufsichten?

Ich würde mich freuen, eure Erfahrungen und Meinungen zu hören.



Viele Grüße

Malou

Offline Andreas

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 667
  • Country: 00
    • Laufen mit Diabetes - Sport mit Insulin
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #1 am: Oktober 29, 2007, 17:21 »
Hm...
Also ich gehe weder bewusst offen damit um, noch verstecke ich meine Pumpe.
Ich trage meine Pumpe in der Hosentasche, man sieht den Schlauch, nehme sie gegebenenfalls auch heraus. Aber: Ich messe nicht während des Unterrichts (dazu nutze ich die Pausen im Lehrerzimmer) und hatte auch - erstaunlicher Weise - noch keine Unterzuckerung während des Unterrichts. In diesem Fall würde ich aber mein Verhalten erklären und ein Schluck Cola o. ä. zu mir nehmen.
Alles andere läuft völlig normal ab (Aufsichten, volle Stundenverpflichtung, Klassenfahrten etc.). Allerdings überlege ich, ob ich nicht versuche einen Schwerbehindertenausweis mit der entsprechenden Prozentzahl zu erlangen, um ein oder zwei Stunden weniger zu unterrichten.

Gruß, Andreas
Eine gute Diabetes-Therapie muss einfach sein.


Offline Llarian

  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 2353
  • Country: 00
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #2 am: Oktober 29, 2007, 17:30 »
Hallo Ihr beiden,

darf ich fragen, was Ihr unterrichtet und wie alt Eure Schüler sind?

Grüße
Anja

Offline Andreas

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 667
  • Country: 00
    • Laufen mit Diabetes - Sport mit Insulin
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #3 am: Oktober 29, 2007, 18:31 »
Ich unterrichte Deutsch und Musik, meine Schüler sind Gymnasiasten zwischen 10 und 19 (in extremen Fällen auch mal 22 ;)) Jahren.

Gruß, Andreas
Eine gute Diabetes-Therapie muss einfach sein.


Offline Malou

  • Full Member
  • ***
  • Beiträge: 126
  • Country: de
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #4 am: Oktober 29, 2007, 18:50 »
Ich bin Grundschullehrerin mit eigener Klasse (jetzt 3.Schuljahr). Der Job macht mir sehr viel Spaß. :) Ich arbeite gerne mit Kindern. Ich arbeite in einem "Stadtteil mit Erneuerungsbedarf" wie es so schön heißt. Früher sagte man "sozialer Brennpunkt" dazu. Migrantenanteil ca. 80%.

Meine studierten und hauptsächlich erteilten Fächer sind Mathematik, Sport (und Schwimmen) und Deutsch. An der Grundschule muss man recht flexibel sein und deshalb kann es auch vorkommen, dass ich mal ein Schuljahr lang Kunst, Musik oder auch Sachunterricht geben muss.

Leider habe ich vormittags nur selten eine wirkliche Pause. Unangemeldete Elterngespräche, Aufsichten, Kinder mit aufgeschlagenen Knien, Kollegen, die etwas besprechen wollen.... Da kommt es recht häufig vor, dass ich in der Schule weder messe noch etwas esse. Die pp-Werte vom Frühstück korrigiere ich demnach nur äußerst selten und ärgere mich, wenn ich am Mittag zu Hause feststelle, dass ich wieder stundenlang mit 180 rumgelaufen bin.

Außerdem liegt das Frühstück dann Stunden zurück und ich habe am Mittags zu Hause einen Heißhunger und schauffle alles in mich hinein, was ich gerade kriegen kann. Das ist dann nicht gerade gesunde Ernährung. :rotwerd:

Die Schwerbehindertenvertretung sagt, ich solle mich zumindest schon einmal von den Pausenaufsichten befreien lassen. Das schafft zumindest etwas Luft.

Wie sag ich´s meinem Chef? Was sagen die Kollegen?

Ich habe meinen Diabetes nun 8 Jahre und hielt dies bisher nicht für nötig. Falsche Scham? Warum soll ich meine Rechte nicht in Anspruch nehmen? Man hat in der Schule am Vormittag wirklich häufig keine freie Minute. Von allen Seiten ziehen sie an einem.

Das Thema Klassenfahrt ist auch so eine Sache. Wer meint, dass sei Urlaub, der irrt sich gewaltig. 24 Stunden lang die Aufsicht über einen Sack Flöhe haben. Das ist irre anstrengend. Und unter Stress ist es besonders schwierig, seinen BZ unter Kontrolle zu haben.

Auf der Klassenfahrt, die ich zuletzt begleitet habe, hat sich ein Kind am Fenster die Fingerkuppe abgequetscht. Wir haben das Endglied noch gefunden und in einem Beutel mit Eiswürfeln ins Krankenhaus gebracht. (Die Herbergsmutter hatte angeblich kein Eis und verlangte von mir, dass ich ihr Speiseeis dafür abkaufte. Aber das ist ein anderes Thema) Nichts für schwache Nerven. Meine Kollegin ist dann stundenlang allein ( mit einer Referendarin) mit den restlichen 60 Kindern in der Jugendherberge geblieben, bis ich aus dem Krankenhaus zurück war. Damals hatte ich noch keinen Diabetes. Ich weiß nicht, wie ich diesen Stress heute verkraften würde.

Rein rechtlich kann ich die Klassenfahrt verweigern, da ich schwerbehindert bin. Aber hat mein Chef da Verständnis für? Und die Kollegen?

Diabetes ist ja kein Krebs und deshalb nicht so schlimm, ist die Meinung meiner Kollegen. Da ist man halt keine Süßigkeiten mehr und alles wird gut. Schließlich hat Oma X ja auch Diabetes und die ist schon 80 Jahre alt...

Ihr versteht, was ich meine?

Bisher habe ich keine Sonderregeln gebraucht und auch kein besonderes Verständis erwartet.

Aber wie eingangs beschrieben überdenke ich ja gerade meine Handlungsmuster und frage mich, was ich anders machen kann.

Viele Grüße

Malou

hjt

  • Gast
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #5 am: Oktober 30, 2007, 08:58 »
Moin Malou,

Deine Frage hat sicher mehr als 3 Aspekte, aber:

Sofern Du das Glück des Beamtendaseins hast, macht sich die langsame Gewöhnung des Dienstherren an mögliche behinderungsbedingte Belastungseinschränkungen bisher auf die Dauer in der Weise bezahlt, dass um Zugeständnisse weniger diskutiert werden muss: die Person ist halt nicht uneingeschränkt voll einsatzfähig, und das wird dann überall, und sei es nur in Kleinigkeiten, irgendwie berücksichtigt.

Auf der anderen Seite wird das Bild, das Du von Dir nach draußen darstellst, mit einigem Automatismus auf das abfärben, dass Du dir selbst von Dir machst. Will sagen, auch wenn Du dich heute nicht so behindert siehst, aber gewissermaßen für Deine Umgebung schon mal behindert darstellst, stehen die Chancen günstig, dass Du mit der Zeit in so eine Darstellung gewissermaßen hinein schrumpfst.

Deswegen neige ich zur persönlichen Sicht des DM, auch Typ1, als leichte und leicht ausgleichbare Behinderung und dazu, dass ich nicht meinen Alltag nach irgendwelchen DM-Routinen stricke, sondern meine DM-Routinen so in meinen Alltag ein- und darum herum baue, dass mein BZ auch in den Zeiten in den Grenzen, die ich mir garantieren kann, flach & niedrig verläuft, in denen ich bei wie auch immer wechselnden Tätigkeiten nicht messen und auch nicht planbar essen kann.

So hab ich mal ne Zeit lang 12-14 Stunden am Tag Außendienst gemacht und mich dabei vorwiegend basal und mit Ei, Fleisch und Gemüse ernährt und dabei eigentlich nichts vermisst. Und ich kenne z.B. auch einen Typ1, der wesentlich mit sich selbst darum gekämpft hat in der Bundespolizei zwar mit Pen und nicht mit Pumpe seinen kompletten aktiven Dienst macht.

Bitte jetzt differenziert verstehen: Es geht hier nicht darum, worauf wir mit DM ein Anrecht haben, sondern darum, dass wir dann, wenn wir das für unseren Beruf so wollen, vielleicht nicht in jedem, aber doch in manchem Fall unser DM-Verhalten so anpassen können, dass es unsere gewollte Tätigkeit in keiner Weise behindert. Und wenn man das als Lehrer so am eigenen Beispiel alltäglich nicht zelebrieren, sondern mit seinem ganzen Wesen kommunizieren kann, halte ich das für einen besonderen Glücksfall. Denn das nehmen die Kinder als mögliches Modell für eigenes Verhalten auch dann mit, wenn das nicht jeden Tag und vielleicht sogar nie ausdrücklich thematisiert wird. Darüber, dass sich damit gewissermaßen als Bonus der Zugewinn an eigener DM-Management-Sicherheit und Gesundheit einstellt, hat sich wohl bis jetzt noch niemand beschwert ;-)

Bisdann, Jürgen

Offline Joerg Moeller

  • Administrator
  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 15993
  • Country: de
  • Ohana heißt "Familie"...
    • Diabetesinfo
  • Diabetestyp: DM 1
  • Therapie: Insulin-Pumpe
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #6 am: Oktober 30, 2007, 09:13 »
Idee für die BZ-Kontrolle: mach es während des Unterrichts. Dauert mit den heutigen Geräten eh kaum eine Minute inkl. rausholen und wieder verstauen.

Für die Kinder, die das mitkriegen wird Diabetes behandeln dann irgendwann so normal sein wie Brille putzen.
Meine Seite über Diabetes: http://www.diabetesinfo.de/
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/Diabetesinfo.de/

Offline Siggi©®

  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 5172
  • Country: de
    • Siggi sein's
  • Diabetestyp: DM 2
  • Therapie: Insulin-Pen
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #7 am: Oktober 30, 2007, 10:15 »
seh ich auch so

gehört ja zu unserem leben dazu, wieso also verheimlichen
~~~~~~~~~~~
       so long ...
 :winke:    Siggi    :winke:     
~~~~~~~~~~~

Offline MaKe

  • Special Member
  • *****
  • Beiträge: 18053
  • Country: de
    • Dragon-Cacher Geocachinginfos
  • Diabetestyp: DM 2
  • Therapie: Insulin-Pen
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #8 am: Oktober 30, 2007, 10:48 »
Hallo zusammen,


Für die Kinder, die das mitkriegen wird Diabetes behandeln dann irgendwann so normal sein wie Brille putzen.


was ja auch in der Hinsicht von Vorteil wäre, wenn mal eines der Kinder mit Typ1 in euer Schule ist.
Wenn bis dahin die Behandlung (Messen und ggf. Spritzen) selbstverständlich geworden ist, hat das Kind auch weniger Probleme damit.

Und deinem "Dienstherren" und deinen Kollegen täte nen bissel Aufklärung da sicherlich auch nicht schlecht....

Viele Grüße
Mathias  :)


DM2, ICT, Novopen4 mit Levemir, SoloStar mit Apidra, Accu-Chek Mobile, SiDiary PC

Offline brain

  • Sr. Member
  • ****
  • Beiträge: 470
    • Mein MTB-Blog
Re: Lehrer mit Insulinpumpe
« Antwort #9 am: Oktober 30, 2007, 11:02 »
Wo wir bei der Aufklärung sind, finde ich das einen guten Punkt. Ich finde schon, dass man das ruhig im Lehrerzimmer oder Klassenzimmer machen kann. Und wenn ein Elterngespräch oder so ansteht, dann können auch die Eltern mal eben die eine Minute warten, bist du dich gemessen und eventuell gespritzt hast oder eben etwas gegessen hast.
Und ansonsten denke ich führt ein offener Umgang nur dazu, dass die Allgemeinheit nicht immer die Augen verschließt und wir von Leuten doof angeschaut werden, wenn wir uns mal messen und spritzen.
Zumindest versuche ich auch so damit umzugehen und bisher hat das gut geklappt, auch bei Jobs dich ich bisher gemacht habe, haben meine Chefs von der Krankheit gewusst. Aber das war überhaupt kein Problem, und zur Not wird eben etwas aufgeklärt und schon ist die Sache kein Thema mehr.
Und wenn deine Kinder das mitbekommen, dann kann man darüber ja auch im Unterricht reden.
Abschließend möchte ich dir nur noch sagen, dass du dir schon einfach mal die Zeiten nehmen solltest, dich um deine Krankheit zu kümmern. Ich weiß das es in der Schule recht stressig ist und man wenig Zeit hat, aber die Zeit solltest du dir dann einfach nehmen.