Autor Thema: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?  (Gelesen 5472 mal)

Offline diotmari

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Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« am: Juni 22, 2009, 10:04 »
Guten Morgen!

Da mich dieses Thema wirklich interessiert und mich heute morgen nochmals ein Beitrag Joa's in einem anderen Forum daran erinnert hat, möchte ich dieses Thema - losgelöst von der Gastroparese nochmals diskutieren - damit ich es auch kapiere  ;D!
Welchen Sinn macht es, schon bei einem BZ von 75 oder gar 80mg/dl (den einige als persönliche Hyposchwelle definieren) mit einer  / einer halben BE zu intervenieren?
Ich lese immer das Argument, daß man sich die adrenergene Hypowahrnehmung nicht versaut?!
Ist das wirklich so allgemeingültig - oder gibt es da auch andere Ansätze?!
1. Frage: dieses zusätzliche Futter sind doch auch Kalorien, die unnötig sind - und die ich mir dann von meinem eigentlichen Essen wieder abziehen muß - oder ich lege gnadenlos zu....?
2. Frage: wenn ich ein niedriges andrenergenes Potenzial habe, schlaucht mich eine Hypo vielleicht nicht so?
3. Frage: wie "gefährlich" ist es wirklich, diese Wahrnehmung zu dämpfen?!

OK, dank meiner kurzen Diaberfahrungszeit hab ich bislang weder Hilfe noch sonstwas bei ner Hypo benötigt - außer Malzbier oder Cola.....Bei mir reicht das Gefühl unter 60, ooops, Du könntest ne Kleinigkeit essen! Dann schau ich, wie weit meine nächste Mahlzeit weg ist - und zieh die notfalls etwas vor; oder warte halt, je nachdem, wie ich mich fühle - oder ob da noch was körperliches auf mich zukommt. Bei einer (für meinen Körper um 40) echten Hypo, hab ich natürlich auch das Programm Schweißausbruch, Zittern - aber das kommt bei mir sehr selten vor, ist dann oft eigene Dummheit, weil ich körperliche Aktionen nicht richtig eingeschätzt habe. Malzbier oder Cola, viertel Stunde Ruhe, dann bin ich wieder topfitt....(was immer das für meinen Körper noch heißt  ;D ).
Als Pumpi hab ich die Möglichkeit, ja kurzfristig mein Basal reduzieren zu können, muß das ganze für ICT'ler anders angegangen werden?!

Ich habe das Thema extra hier reingeschrieben, weil ich über die Diskussion mir wertvolle Information erhoffe.
Also bitte "fachmännisch" antworten  ;D  :zwinker:!

Viele Grüße
Dietmar
Mitnichten hat Gott sich schweigend zurückgezogen oder ist gar tot!
Er lacht sich nur schlapp über uns - wenn er nicht gerade kotzen muß.
DF

Offline Angelheart

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Re: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« Antwort #1 am: Juni 22, 2009, 10:12 »
Fachfrauisch?
Für mich ist frühzeitiges Eingreifen wichtig, weil mein Reaktionsfenster recht klein ist. Bin ich erstmal bei 70, geht es ganz schnell noch tiefer. Erfahrungswert. Basalreduzieren reicht da auf keinen Fall, denn das Hypoverursachende Insulin wirkt schneller, als eine Pause wieder heben würde. Und groß über die Ursache nachdenken kann ich dann nicht mehr.

Gruß
Agnese

Offline Joerg Moeller

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Re: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« Antwort #2 am: Juni 22, 2009, 11:24 »
1. Frage: dieses zusätzliche Futter sind doch auch Kalorien, die unnötig sind - und die ich mir dann von meinem eigentlichen Essen wieder abziehen muß - oder ich lege gnadenlos zu....?

Das denke ich nicht. 6g KH = 24 Kcal. Selbst wenn ich die täglich zu mir nehme bringt mich das nicht zum Platzen.

Zitat
2. Frage: wenn ich ein niedriges andrenergenes Potenzial habe, schlaucht mich eine Hypo vielleicht nicht so?

Ich denke nicht daß das damit zu tun hat. Und wenn du deine Hyposchwelle zu sehr absinkst könntest du noch mehr geschlaucht werden, wenn daraus mehr schwere Hypos (also mit erforderlicher Fremdhilfe) werden.

Zitat
3. Frage: wie "gefährlich" ist es wirklich, diese Wahrnehmung zu dämpfen?!

s.o.

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Offline Archchancellor

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Re: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« Antwort #3 am: Juni 22, 2009, 11:25 »
Es besteht die Gewfahr das die Wahrnehmung immer weiter nach unter geschoben wird.
Zuerst merkst Du die Unterzuckerung bei 80 :banane: und hast noch zeit gegenzuregulieren.
Sollte man das nicht machen, kann die Grenze (bisher 80) schnell sinken ==> z.Bsp.: 40.
Und das man bei 40 weniger Spielraum aht zu reagieren als bei 80 sollte klar sein?

Archchancellor
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Offline Corinna

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Re: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« Antwort #4 am: Juni 22, 2009, 14:25 »
Als Pumpi hab ich die Möglichkeit, ja kurzfristig mein Basal reduzieren zu können, muß das ganze für ICT'ler anders angegangen werden?!

Nein, ich denke nicht. Denn wenn du die Basalrate kurzfristig absenkst, bringt das für die gegenwärtige Hypo rein gar nichts, da sich die Basalabsenkung erst ca. eine Stunde später bemerkbar macht. Es fehlt also beim Absenken der Basalrate bei einer Hypo später Insulin, wo es eigentlich schon wieder gebraucht würde.

Man könnte natürlich versuchen, die Basalrate eine Stunde vor der Hypo runterzuregeln. Aber ich glaube, das gestaltet sich als äußerst schwierig. ;D
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Offline unknown

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Re: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« Antwort #5 am: Juni 22, 2009, 14:51 »
Man könnte natürlich versuchen, die Basalrate eine Stunde vor der Hypo runterzuregeln. Aber ich glaube, das gestaltet sich als äußerst schwierig. ;D

Also bitte Corinna: Das muss die Glaskugel schon hergeben.  :moser: :zwinker:  :wech:
Und wie ist das mit der Planung?  :wech: :wech: :zwinker:

Eine Basalratenabsenkung bringt nichts außer das das das System vollständig aus dem Rhytmus gebracht wird.
Wenn noch 5IE oder 10IE wirken was will ich dann mit einer Reduzierung von 0,5IE/h auf 0.1IE/h wirklich in der Wirkdauer ändern?  :gruebeln:

Das subcutan gespritzte und noch zu resorbierende Insulin des Bolus kann ich ja auch nicht mehr wegbekommen. Mir bleibt da doch nur noch die Zufuhr von Schnellwirkenden KH.

Offline Joa

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Re: Warum bei niedrigem BZ frühzeitig intervenieren?
« Antwort #6 am: Juni 22, 2009, 21:27 »
Welchen Sinn macht es, schon bei einem BZ von 75 oder gar 80mg/dl (den einige als persönliche Hyposchwelle definieren) mit einer  / einer halben BE zu intervenieren?

Grundsätzlich nimmt man 70 mg/dl als Interventionsschwelle. 80 wäre für Diabetiker mit bereits desensiblisierter Adrenalinantwort zweckmäßig, um nicht zwei Jahre, sondern nur einige Monate auf die Reaktivierung derselben warten zu müssen. Diese Diabetiker mit fehlender Hypowahrnehmung müssen ja auch  erstmal höhere Blutzucker tolerieren.

Zitat
Ich lese immer das Argument, daß man sich die adrenergene Hypowahrnehmung nicht versaut?!
Ist das wirklich so allgemeingültig - oder gibt es da auch andere Ansätze?!

[Ironiemodus]Klar! Blutzuckerwerte immer über 150 mg/dl sicherstellen. :lachen:
[/Ironiemodus]

Aber mal im Ernst. Ein Dogma sind 70 mg/dl nicht. Z.B. kommt es auch auf Dein Messgerät an.

Wenn ich auf dem FSL oder OTU 90 sehe, kann es vorkommen, nicht selten, dass das Contour oder Compact+ was um die 70 anzeigen.  :ja:

Auch kommt es natürlich auf die Einschätzung der aktuell wirkenden Insulinpower an, also der noch zu erwartenden Insulinwirkung und auf die anderen BZ-senkenden Faktoren, z.B. Bewegungslevel.

Entsprechend nimmste dann 1/2 oder auch 4 BE oder auch keine BE. Zumindest als denkender Diabetiker, der auch noch eine Einschätzung seiner eigenen Hypowahrnehmung hat.

Zitat

1. Frage: dieses zusätzliche Futter sind doch auch Kalorien, die unnötig sind - und die ich mir dann von meinem eigentlichen Essen wieder abziehen muß - oder ich lege gnadenlos zu....?

Falsch gedacht!

Es kommt erst mal darauf an, eine funktionierende Insulinversorgung auf die Beine zu stellen. Also eine, die es Dir ermöglicht, den BZ weitgehend verlässlich im Zielbereich zu halten.

Erst auf dieser Basis lässt sich die Situation im Weiteren gut einschätzen und an den weiteren Parametern verlässlich steuernd drehen.
Z.B. am Regulationsstatus der Insulinrezeptoren.

(Ok, man kann sich natürlich auch mal ein paar Zähne ziehen lassen.  :zwinker:  :schwitz:)

Zu so einem Gesamtkonzept gehört dann auch eine rechtzeitige Vermeidung heftigerer Gegenregulationen durch weitere Hormonausschüttungen, die ihrerseits dann wieder zu längeren Resistenzen, mehr Korrekturinsulin, mehr Schwankungen, mehr Hypo-BE, mit nachfolgenden überschießenden Zuckerwerten, nochmal mehr Korrekturinsulin etc, etc, führen könnte.

Und wie Jörg schon sagte, wenn Dich 1/2 oder eine BE, die den BZ auf Normniveau hält, zum Platzen bringen würde ...  :kratz:

Das Regelwerk ist ein Allgemeines. Es hat den Anspruch, und muss ihn haben, unter allen Bedingungen von Diabetes (Typ 1) anwendbar zu sein und zu funktionieren.

Individuell funktionierende Abwandlungen sind natürlich möglich und individuell auch sinnvoll, wenn das Konzept "Stoffwechsel + Insulin" einigermaßen sitzt.

Gruß
Joa
Typ 1 seit 85;  Pumpe seit 1988; P 754/Apidra