Bärli, vielleicht definierst Du für mich einmal den Begriff "Erwachsene", was Du Dir darunter vorstellst
Schätze, erwachsen ist in meinen Augen jamand, der für sich selbst Verantwortung übernimmt (und für die Mitglieder Familie, falls er eine hat).
Das sehe ich auch so. Zusätzlich würde ich sagen, daß zu "Verantwortung übernehmen" und "erwachsen sein" auch "Prioritäten setzen" gehört. Wann immer mehr als eine Sache aktuell ist, wird man um Prioritäten nicht herum kommen, denn man kann sich ja nicht zweiteilen. Und "Prioritäten setzen" heißt oft auch Kompromisse einzugehen. (Ich stelle Sache A jetzt erstmal zurück, weil Sache B wichtiger ist und nehme dafür in Kauf, daß sich Sache A danach etwa schwieriger gestaltet. Wie bei Vreni mit dem Studium eben)
... wenn es doch dann so ist, dass jemand aus "meiner Familie" meine Hilfe / Unterstützung braucht, geht das dann nicht vor Schule?
Das kommt darauf an. Am besten ist es, wenn du beides unter einen Hut bekommst, denn ein Haus ohne solides Fundament bricht irgendwann zusammen und kann dann für niemanden mehr eine Heimat sein. Und Schule ist nunmal ein solches Fundament.
Darüber hinaus gibt es Dinge, die du als Hilfeleistender übernehmen kannst und andere, die dich überfordern würden. Auch da ist es ein Zeichen von erwachsen sein das zu erkennen und sich dann seinerseits Hilfe von außen zu holen.
Und vor allem: In der Schule bringen sie mir nicht bei, mit dem Leben klarzukommen.
Irgendwie schon, nur nicht ganz so offensichtlich. Zusätzlich zum Erlernen von Sozialverhalten gegenüber Gleichgestellten (Mitschülern), geringer gestellten (untere Klassen), höhergestellten (obere Klassen) und Vorgesetzten (Lehrern)
kann man auch viel in Geschichte lernen. Beispiel drittes Reich: wie konnte es soweit kommen und bei welchen Anzeichen müßten heute bei mir die Alarmglocken bimmeln. In Religin kann man viel über Weltanschauungen lernen.
Bei nicht so sehr geliebten Fächern lernt man Dinge zu tun, die man eigentlich nicht so gern mag (Sowas wird im Berufsleben immer wieder mal vorkommen). In Lieblingsfächern lernt man, was einen wirklich interessiert (hilfreich für die Berufsfindung).
Und ich bezweifle, dass ich sowas wie Chemie oder so nochmal brauchen werde.
Nicht in dieser Ausführlichkeit vielleicht, aber die Grundlagen schon. Ein Beispiel: die Werbung spricht von einer Seife die schonend ist, weil sie pH-neutral sei. Jemand ohne chemisches Wissen wird das toll finden und sie seinen Freunden gegenüber lobpreisen. Die Freunde kennen sich aber ein bißchen aus, wissen das pH-Neutral einen pH von 7 darstellt, was den Säurschutzmantel der Haut zerstören würde. Dann steht der ohne Chemiewissen dumm da...
Wieviele Schalen welches Atom hat ist sicher für die meisten von uns uninteressant. (In dieser Phase habe ich damals in der Krankenpflegeschule eher meinen persönlichen Rekord im Tetris-spielen verbessert). Gut ist es aber trotzdem zuzuhören, denn so kan man herausfiltern was für einen selbst wichtig ist und was nicht.
Aber wie ich reagiere, wenn ich etwas im Bereich der "Notfallseelsorge" (zumindest im übertragenem Sinne, irgendwie) leisten muss, erklärt mir keiner...
Und das wird auch hoffentlich so bleiben, denn das ist ein "Erwachsenen-Job". Jemand ohne Erfahrung und eine solide Wissensbasis kann diesen Job nicht übernehmen.
Eine Freundin hat das mal sehr gut auf den Punkt gebracht: "Ich vermeide es Mitleid zu haben, denn wenn ich mitleide, bin ich ebenso handlungsunfähig. Ich setze daher mehr auf Mitgefühl, denn mit Gefühl kann man die Dinge besser regeln"
...selbst in Pädagogik wird uns nicht erklärt, wie wir unseren Mitmenschen gegenübertreten können / sollten und wie wir sie dann nach unserem Vermögen unterstützten und begleiten können!
Das ist auch nicht Aufgabe der Pädagogik, das ist Aufgabe der Psychologie. Deine Aufgabe als Freundin/Angehörige ist es auch nicht anderen ihre Probleme zu lösen, sondern da zu sein und zuzuhören. Und zuhören ist nicht dasselbe wie handeln. Handeln soll der, der ein Problem hat. Der Freund/Angehörige unterstützt ihn dabei, mehr nicht.
Ebenso wie wir dich jetzt hier zu unterstützen versuchen. Niemand hier kennt deine wahre Identität und somit hast du die Möglichkeit, dir alles von der Seele zu schreiben, was dich bedrückt. Wir hören dir zu!