Autor Thema: Anakinra - Kennt das jemand ?  (Gelesen 11119 mal)

Offline sascha2

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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #1 am: September 22, 2009, 21:19 »
Interessanter Fund. Hatte ich noch nicht mitbekommen.

Da geht es wohl darum, dass (auch?) überforderte Betazellen vermehrt einen Stoff, das Interleukin-1 (IL-1) freisetzen.
Dieses Zeug sei nun für das Absterben der überforderten Zellen verantwortlich.

Das trifft anscheinend sowohl auf den Typ 2 zu, bei dem die Überforderung der Betas erst mal auf dem Faktor der Insulinresistenz beruht, als auch auf den Typ 1, bei dem die Überforderung (verbleibender) Betas durch den autoimmunen Abbau der Betas selbst zustande kommt.

Auch bei Rheuma, und ich vermute mal bei allen möglichen Zellüberforderungen, spielt IL-1 wahrscheinlich eine entscheidende Rolle.

Ob die Hemmung von IL-1 nun der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten. Da denke ich hinsichtlich der Betazellen auch an den Punkt, dass diese in Überforderungssituationen offenbar grundsätzlich einen deutlich erhöhten Anteil unfertigen Proinsulins, mit seinerseits wieder destruktiven Auswirkungen sekretieren.

Daher würde mich diesbezüglich interessieren, ob eine IL-1 Hemmung auch eine erhöhte Sekretion an Proinsulin verhindert. Wenn nicht, wäre das möglicherweise ein fraglicher Ansatz.

Gruß
Joa
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Offline sascha2

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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #2 am: September 22, 2009, 23:06 »
Das Thema scheint gar nichts Neues zu sein, daher wundert mich es ein bischen, das in div. Foren nicht darüber zu finden ist.

Hier ein Bericht aus 2007 von der Uni Zürich:
http://www.uzh.ch/news/articles/2007/2525.html
und einer von 2008
http://www.uzh.ch/news/articles/2008/3135.html

Dort wird es einigermaßen erklärt, wie das Blocken der IL-1 funktioniert.


Die Uni Düsseldorf hat im Januar eine neue Forschungsreihe AIDA gestartet. (Anti- Interleukin-1 in Diabetes Action)
Mal gucken, ob ich irgendwie aktuelle Infos bekommen kann.

Klingt auf jeden Fall noch sehr theoretisch, aber immernoch "besser" als die Therapie mit Chilli oder BSD-Transplantaen an Mäusen.

gruß,
Sascha
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Sascha

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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #3 am: September 23, 2009, 00:45 »
Klingt auf jeden Fall noch sehr theoretisch, aber immernoch "besser" als die Therapie mit Chilli oder BSD-Transplantaen an Mäusen.

Ich denke, dass es beim Typ 1 wohl nicht als Therapie zu sehen ist. Eher als mehr oder weniger Verlängerung des Remissionserfolges, bis zum nächsten Autoimmunschub, oder dem fortschreiten des Autoimmunprozesses bei den langsamen Typ-1 Formen.

Beim Typ 2 könnte es ein Stück effektiver sein, wenn parallel zur IL-1 Hemmung die Resistenzfaktoren gesenkt werden.

Gruß
Joa
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Offline Joerg Moeller

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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #4 am: September 23, 2009, 13:00 »
Ich bin da eher skeptisch. Sicher wäre es fein die Betas zu schützen, aber entartete Zellen möchte ich schon frühestmöglich zerstört haben, noch bevor sie zum malignen Tumor werden. Und ob die jetzt wirklich sagen "du darfst ruhig alles angreifen aber lass mir die Betas in Ruhe" finde ich fraglich...
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Offline Joa

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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #5 am: September 23, 2009, 20:07 »
Und ob die jetzt wirklich sagen "du darfst ruhig alles angreifen aber lass mir die Betas in Ruhe" finde ich fraglich...

Du meinst, dass [ein Signal zur Erhöhung von] IL-1  von verschiedenen, vielleicht allen Zellen abgegeben wird, wenn diese "entarten" oder z.B. bei entzündlichen Prozessen oder kapazitativer Überforderung auffällig werden, wie die Betas beim Diabetiker Typ 1 wie 2? Somit würde dann ggf. eine Unterdrückung der IL-1 Wirkung zu einer Gefahr führen können, dass irgendwelche auffälligen Zellen nicht beseitigt werden [weil ja der Rezeptor auch anderer Zellen ausser Aktivität gesetzt worden ist], so dass z.B. die Gefahr von Tumorentwicklungen steigen könnte?

Das ist sicher ein nachvollziehbarer Gedanke.  :ja:
Zu dem ich allerdings nichts direkt dazureimen kann, weil mir die Wirkweise von IL-1 völlig unklar ist.

Allerdings ist die IL-1 Hemmung in der Rheumatherapie wohl bereits langjährig im Einsatz und, soweit ich gelesen habe, ohne erkennbare Nebenwirkungen.
Das könnte vielleicht die Sorge bezüglich unerwünschter Seiteneffekte etwas lindern?   :kratz:

Gruß
Joa

Nachtrag: siehe Text in Klammern [...]
« Letzte Änderung: September 24, 2009, 23:00 von Joa »
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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #6 am: September 24, 2009, 09:23 »
Ups, kau, schluck...

Hab mich grad mal bei Wikipedia versucht etwas in die Interleukin-Chose reinzudenken.
Das führt aber eher zu Verdauungsbeschwerden.  :-\

Interleukine spielen offenbar eine wichtige Rollen im Immungeschehen des Körpers.

Grundsätzlich geht es hier um das  > Interleukin-1 beta (IL1B) < und dessen Zusammenspiel mit dem Interleukin-1 Rezeptor der Zellen.

Vermutlich wird durch leistungsüberforderte Betas eine Steigerung des IL1B-Spiegels bewirkt (?), so das IL1R verstärkt aktiviert wird. Das scheint dann eine Entzündung und das Absterben der ß-Zellen zu inspirieren.

IL1R bindet mit IL1 alpha, beta und dem > IL1 Rezeptor Antagonisten (IL1RA) <.
Die Aktivität des Rezeptors wird insbesondere über das Mengenverhältnis zwischen den vorstehenden Liganden reguliert.

Erhöht sich die IL1B Menge kommt es entsprechend zu vermehrter Aktivierung.

Der Ansatz ist es nun, durch die medikamentöse Gabe von IL1Ra den IL1R zu blockieren. Also die Bindungskapazitäten der IL-Rezeptoren für IL1(B) zu senken.

Hierzu wird ANAKINRA genommen, welches in der Wirkung IL1Ra entspricht und diesem molekular fast gleich aufgebaut ist.

Somit bleibt natürlich die Frage welche Auswirkungen sich daraus auf andere Zellen ergeben, deren IL1-Rezeptoren denn ja auch blockiert werden.
Gut, man könnte denken, dass die Steigerung von IL1B wohl auch an diesen eine Überaktivierung bewirkt, die durch ANAKINRA eben mitblockiert wird.

Normalerweise ist ein "gesundes" IL1A/B zu IL1Ra Verhältnis bei etwa 1:1,2-3,6 gegeben.
Zur Blockierung des IL1R ist dagegen eine Erhöhung von IL1Ra um den Faktor 10 bis 100 erforderlich.

Allerdings ist die Dosierung von ANAKINRA offensichtlich "flächendeckend" so dass man vielleicht/vermutlich auch eine komplette Blockade der IL1 Wirkung annehmen kann. Und was das so auf Dauer bedeuten könnte... ?

Aber wie findet sich im 2. Link in Saschas erstem Post so schön:  "was generell bei längerer Einnahme von Anakinra für Auswirkungen zu erwarten sind, muss nun erforscht werden"

> Mehr zu Anakinra hier <

Gruß
Joa
« Letzte Änderung: September 24, 2009, 19:49 von Joa »
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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #7 am: September 24, 2009, 09:50 »
Du meinst, dass IL-1 von verschiedenen, vielleicht allen Zellen abgegeben wird, wenn diese "entarten" oder z.B. bei entzündlichen Prozessen oder kapazitativer Überforderung auffällig werden, wie die Betas beim Diabetiker Typ 1 wie 2? Somit würde dann ggf. eine Unterdrückung der IL-1 Wirkung zu einer Gefahr führen können, dass irgendwelche auffälligen Zellen nicht beseitigt werden, so dass z.B. die Gefahr von Tumorentwicklungen steigen könnte?

Yep. Es kommt bei solchen Antagonisten eben darauf an, ob und wenn ja wie selektiv die sind.

Zitat
Den Thread nach Theorie verschieben?

Ja, denke ich auch.
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Offline Joerg Moeller

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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #8 am: September 24, 2009, 09:59 »
Ups, kau, schluck...

Ja, das hab ich mir auch gerade so gedacht ;D

Zitat
Interleukine spielen offenbar eine wichtige Rollen im Immungeschehen des Körpers.

Ja, ich kenne sie noch aus meiner Onkologie-Zeit, als sie gezielt zur Therapie appliziert wurden. Und die jetzt zu blocken verusacht mir so ein bißchen Bauchgrummeln. Aber wie Paracelsus schon sagte "Ein jedes Ding ist Gift..."

Zitat
Allerdings ist die Dosierung von ANAKINRA offensichtlich "flächendeckend" so dass man vielleicht/vermutlich auch eine komplette Blockade der IL1 Wirkung annehmen kann. Und was das so auf Dauer bedeuten könnte... ?

Deswegen bin ich bei solchen Sachen auch immer eher skeptisch. Das war ich auch bei Rimonabant schon, noch bevor die FDA dem einen Riegel vorgeschoben hat.
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Re: Anakinra - Kennt das jemand ?
« Antwort #9 am: September 24, 2009, 21:28 »
Yep. Es kommt bei solchen Antagonisten eben darauf an, ob und wenn ja wie selektiv die sind.
Anakinra ist wohl gar nicht selektiv, so dass alle IL1-Rezeptoren an allen Zellen geblockt werden müssten.
Und dann nicht nur gegen IL1B sondern auch gegen IL1A.

Wie schon zitiert, wird es wohl auf die Langzeiterfahrungen ankommen, die in der Anwendung von Anakinra seit der Zulassung als Rheumamedikament Anfang 2002 (für Europa) bestehen. Und bisher sollen diese unauffällig sein.

Ok, hätte ich akutes Rheuma, würde auch ich sicher auch noch eine andere Nutzen/Risikobewertung zur Anwendung bringen als als Diabetiker.

Zitat
Zitat
Interleukine spielen offenbar eine wichtige Rollen im Immungeschehen des Körpers.
Ja, ich kenne sie noch aus meiner Onkologie-Zeit, als sie gezielt zur Therapie appliziert wurden. Und die jetzt zu blocken verusacht mir so ein bißchen Bauchgrummeln.

Ok, hier haben wir es ja "nur" mit einem Block von IL1A/B zu tun. Welche Interleukine aus der Familie wurden therapeutisch in der Onkologie verwandt?

Aber unabhängig von der Risikofrage wird man wird man hinsichtlich der diabetologischen Erfolges von Anakinra für den Typ 2  mehr erwarten können, als beim Typ 1.

Wenn der Stoff als Antidiabetikum zugelassen würde, könnte er beim Typ 2 im frühen Stadium der Beta-Zellüberforderung wohl zur Symptomfreiheit beitragen, und bei gleichzeitiger Reduktion der diabetesrelevanten Resistenzkomponenten dann möglicherweise sogar wieder abgesetzt werden.
Bei weiter niedrig gehaltener Resistenz könnte das dann schon eine Quasi-Heilung bedeuten. Zumindest eine deuliche Verzögerung.

Beim Typ 1 sind die Erwartungen niedriger zu hängen, da bei diesem die Nekrose der ß-Zellen nicht nur mit dem IL1 korrespondiert, sondern mit den weiteren, autoimmunen Reaktionen im Organismus.

Lt. Auskunft aus dem Studienumfeld zu Anakinra sei die Regenerationsfähigkeit der Betas 

sicher so, dass die Betazellen ein Regenerationspotenzial hätten, welches unter normalen Umständen gering ist, jedoch in Sonderfällen bis zu 5% betragen könne. Z.B. Schwangerschaft, Adipositas.

Gelänge es beim Typ1 Diabetes, die Autoimmunität zu stoppen, wären bestimmte Erholungen sicher möglich, wobei die Kapazität der Regeneration wahrscheinlich nicht ausreichen würde, um auf Insulin verzichten zu können.


Somit könnte in der Anfangsphase, vor allem bei früher Diagnose, wahrscheinlich durch Anakinra auch bei Aktivität der Autoimmunität und vor allem bei langsamen Prozess, eine gewisse Verlängerung der Remissionsdauer erzielt werden, weil halt die IL1B gemittelte zusätzliche immunulogischen Terminierung von Betazellen unterdrückt würde.

Dass das den Kohl fett machen täte glaub ich eher nicht. Und auch beim langsamen Autoimmungverlauf, wie z.B. beim LADA, ergibt sich wohl allenfalls eine verlängerte "Galgenfrist der Betas" mit ggf. weniger Insulinbedarf des Diabetikers.

Gruß
Joa
« Letzte Änderung: September 24, 2009, 22:56 von Joa »
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